Mein Sohn

Ich stand auf der Terrasse. Eigentlich wollte ich nur schnell den Wind spüren, vielleicht kurz in den Himmel schauen und an nichts denken. Und dann kam er.

Mein Sohn.

Mit dem Fahrrad.

In Richtung Haus.

Ich hätte schwören können, er ist fünf. Fünf Jahre alt, mit Helm auf halb acht, Schürfwunden am Knie und diesem entschlossenen Gesichtsausdruck, der immer sagte: Ich kann das allein, Mama.

Ich sah ihn oft so. Damals. Klein. Unerschütterlich. Mit Gummistiefeln im Sommer und Schoko im Gesicht.

Aber heute ist er sechzehn.

Er ist groß geworden. Länger als ich. Klüger in vielem. Und er schaut nicht mehr zu mir auf – sondern herunter, wenn er sagt:

„Ich hab dich lieb, Mama.“

Und dann steht da mein Herz plötzlich im Flur und weiß nicht, ob es lachen oder weinen soll. Weil dieser Moment so leise kommt. So unspektakulär. Und mir trotzdem den Atem raubt.

Wie lange ist das her, dass ich seine Schnürsenkel gebunden habe? Oder heimlich die Stützräder fester gezogen? Und jetzt fährt er einfach an, mit einem halben Leben in den Augen – und sagt so was.

„Ich hab dich lieb, Mama.“

Ich nicke. Ich lächle. Ich merke, wie mir das Herz fast rausfällt vor Rührung, aber ich tu so, als wäre alles ganz normal.

Weil es das ja auch ist.