Resilienz ist kein Einhorn

(Warum stark sein manchmal nur heißt: duschen und durchhalten.)

Manche stellt sich Resilienz vor wie ein Superheldencape. Oder ein spirituelles Upgrade. Resiliente Menschen – das sind doch diese tiefenentspannten, überlebensfähigen Glückskekse mit Waldblick und Smoothie, die morgens um sechs barfuß meditieren und mit einem inneren Leuchten durch Krisen spazieren.

Andere eher nicht.

Es gibt Menschen, die verwechselten Resilienz zuerst mit „Residenz“. Und merkten dann: Ah, das ist das, was man braucht, wenn man nachts um drei heulend am Küchentisch sitzt und sich fragt, ob das Leben das ernst meint.

Spoiler: Meint es meistens.

Resilienz ist kein Glitzerwort. Es ist das leise „Trotzdem“. Es ist der Moment, in dem man die Zahnpasta nach vier Tagen wieder benutzt. Oder sich traut, einem anderen Menschen zu sagen: „Ich bin müde. Aber ich bin da.“

Und ja – manchmal ist es auch der Entschluss, nicht das achte Achtsamkeitsbuch zu kaufen, sondern einfach mal die Wäsche zu falten. In Ruhe. Und mit dem Gefühl: „Ich funktioniere wieder. Irgendwie.“

Es gibt viele Definitionen für Resilienz: „Widerstandskraft“, „Stehaufmännchen“, „innere Stärke“. In Wahrheit riecht sie oft nach Krankenhaus. Nach Schweigen. Nach Zähigkeit. Und nach einem Kaffee, den man allein trinkt – aber immerhin trinkt.

Wer Resilienz sucht, sollte nicht nach dem perfekten Zustand suchen. Sondern nach dem nächsten kleinen Schritt. Und wenn man ihn gemacht hat, dann: atmen. Kein Instagram. Kein Hashtag. Nur still dasitzen. Noch da sein.

Das reicht. Aber auch das muss man oft lernen.

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Corona und sein Meinungssyndrom

Ein Kommentar zur situativen Verkleidungskunst unserer Gegenwart

Es war einmal ein Virus, das über die Welt kam – nicht, um sie zu erlösen oder auszulöschen, sondern um sie auszuziehen. Corona war kein medizinisches Problem, es war ein moralischer Striptease. Während die einen noch nach Masken suchten, hatten andere längst die Hosen runtergelassen. Die Pandemie, so liest man bei Sebastian Fitzek, im aktuellen Stern Interview, habe Hypochonder, Schwurbler, Nihilisten und Verschwörungstheoretiker entlarvt. Das mag stimmen. Aber sie hat noch mehr geschaffen: eine ganz neue Garderobe für politische und moralische Meinungen.

Heute trägt man Haltung wie einen Anzug. Schlank geschnitten, atmungsaktiv und selbstverständlich wechselbar – je nach Publikum, Plattform und Lichteinfall. Was gestern noch Grundrechte verteidigte, wird heute zur Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt erklärt. Und umgekehrt. Wer zu Beginn der Pandemie Masken trug, war solidarisch. Später galt das als obrigkeitshörig. Dazwischen lagen oft nur wenige Wochen – und eine Meinungswende von „Wir bleiben zu Hause“ zu „Ich lass mir doch nichts vorschreiben“.

Willkommen im postfaktischen Ankleidezimmer: Die Meinung von gestern wird recycelt, neu gefüttert und als „gewachsene Erkenntnis“ ausgegeben. Jeder ist heute ein bisschen Virologe, Verfassungsrichter, Geopolitiker – je nach Bedarf. Der gesellschaftliche Diskurs gleicht einem Maskenball, bei dem sich kaum noch jemand fragt, wer da eigentlich tanzt – Hauptsache, man steht im Licht.

Und der Kaiser? Der steht wieder einmal nackt da. Nur dass er diesmal glaubt, sein moralischer Maßanzug bestehe aus Transparenz und Selbstkritik. In Wahrheit trägt er das, was gerade gut ankommt. Das Etikett heißt „Haltung“, aber die Naht ist schlecht verarbeitet. Eine falsche Bewegung, ein falsches Zitat – schon platzt der Stoff. Dann wird schnell neu geschneidert, notfalls mit heißer Nadel, Hauptsache, die öffentliche Meinung applaudiert.

Corona war keine Prüfung für unsere Gesundheit. Es war eine Generalprobe für unser Rückgrat. Wer jetzt noch stehen kann, ohne sich dauernd umzuziehen, hat vielleicht keine 10.000 Follower – aber vielleicht noch ein bisschen Würde im Schrank.