Paket- Babel

Der Lieferdienst und ich führen seit Monaten eine Beziehungskrise. Es geht immer um denselben Quadratzentimeter: direkt vor meiner Haustür. Für den Fahrer ist das der perfekte Ort – Paket hin, Foto machen, fertig. Für mich ist es der schlechteste Platz überhaupt: Zugluft, Regen, Straße, freie Sicht für jeden, der zufällig vorbeikommt und sich denkt: „Oh, ein Paket im Freien, wie aufmerksam.“

Nach ein paar durchweichten Kartons und einer Lieferung, die aussah, als hätte ein Traktor sie als Experiment benutzt, war klar: Ich brauche ein Schild. Kein großartiges Designprojekt, einfach nur: Bitte, bitte nicht vor die Tür. Da ich in Belgien lebe, war für mich logisch: mindestens drei Sprachen. Also bastle ich mir ein kleines Grenzland-Schild – Deutsch, Französisch, Niederländisch. Höflich, knapp, sachlich.

Auf Deutsch schreibe ich: Bitte kein Paket vor die Tür legen. Hinter dem Haus unter dem Carport abstellen. Danke. Auf Französisch: Merci de ne pas déposer le colis devant la porte. Derrière la maison, sous le carport, s’il vous plaît. Und auf Niederländisch: Gelieve het pakket niet voor de deur te leggen. Graag achter het huis, onder de carport neerzetten. Dank u.

Das Ganze drucke ich aus, klebe es an die Tür und denke: So, jetzt haben wir das Problem gelöst. Ein bisschen zu optimistisch.

Am nächsten Tag komme ich nach Hause. Da liegt ein Paket. Vor der Tür. So platziert, dass die Kante genau auf dem Wort „nicht“ liegt. Man könnte es als Kommentar verstehen.

Ich passe den Text nochmal an, mache ihn deutlicher, setze gedanklich ein Ausrufezeichen hinter jedes Wort. Wieder drei Sprachen, wieder der gleiche Inhalt. Wieder an die Tür. Nächstes Paket, gleiche Stelle. Es ist fast, als würden die Pakete von diesem Absatz magnetisch angezogen.

Und dann dämmert mir, was ich vergessen habe: Englisch. Ich mit meinen drei Sprachen, sehr stolz auf mein kleines EU-Projekt an der Haustür – und der Fahrer denkt wahrscheinlich in „delivery“ und „parcel“, nicht in „colis“ oder „pakket“. Es ist ein bisschen, als hätte ich eine perfekte Ansage gemacht, nur leider im falschen Radio.

Also gibt es eine letzte Version des Schildes, diesmal mit Vollausstattung.

Deutsch bleibt: Bitte kein Paket vor die Tür legen. Es wird nass, geklaut oder überfahren. Hinter dem Haus unter dem Carport abstellen. Danke.

Französisch bleibt auch: Merci de ne pas déposer le colis devant la porte. Il sera mouillé, volé ou écrasé. Derrière la maison, sous le carport, s’il vous plaît.

Niederländisch ebenso: Gelieve het pakket niet voor de deur te leggen. Daar wordt het nat, gestolen of platgereden. Graag achter het huis onder de carport neerzetten. Dank u.

Und dann kommt der fehlende Puzzlestein dazu, auf Englisch: Please do not leave the parcel in front of the door. It gets wet, stolen or run over. Please leave it behind the house, under the carport. Thank you.

Ich klebe das neue Schild an, nicht mehr ganz so hoffnungsvoll wie beim ersten Mal, mehr so im „Mal sehen, wer diesmal gewinnt“-Modus. An einem der nächsten Tage komme ich nach Hause, laufe automatisch zur Haustür, sehe nichts, gehe ums Haus – und da steht das Paket. Trocken. Unter dem Carport. Unaufgeregt. Genau da, wo ich es seit Monaten haben wollte.

Es lag also nicht an der Höflichkeit, nicht an der Formulierung, nicht an Deutsch, Französisch oder Niederländisch. Es lag daran, dass ich Englisch vergessen hatte. Vier Sprachen später funktioniert es – und mein Türschild hat jetzt offiziell mehr Text als manche Versandbestätigung.