Textauszug aus „Dreizehnter März“

Von Sabine Dahnke

An dem Tag, an den ich oft zurückdenke, bestand mein Lebensplan aus genau drei Dingen: ein ganzes Hähnchen, zwei nackte Füße und der Versuch, beides irgendwie mit Würde zu verbinden.

Die Küche war zu klein für große Gesten. Die Fliesen unter meinen Füßen hatten diesen kühlen, leicht klebrigen Charakter von Mietwohnungen, die schon mehrere Leben gesehen haben, und ich stand barfuß mitten in einer Mischung aus Olivenöl, Knoblauchduft und Radiogedudel, die so tat, als wäre das hier eine Kochshow und nicht einfach nur mein Dienstagabend. Auf der Arbeitsplatte lag das Hähnchen, leicht beleidigt wirkend, daneben eine Schüssel mit Marinade, in der die Kräuter aussahen, als würden sie noch einmal um Bedenkzeit bitten.

„Du weißt schon, dass du barfuß kochst?“, sagte Adi aus dem Türrahmen heraus. Er lehnte dort wie bestellt und nicht abgeholt, Kaffee in der Hand, Oberkörper im Flur, Füße schon halb im Wohnzimmer, als traue er sich nicht richtig in die heilige Zone der rohen Geflügelteile.

„Spürst du die Bodenhaftung?“, erwiderte ich und drückte mit den Fingern die Zitronenhälften über dem Hähnchen aus. „Das ist Mindfulness. Boden und ich, wir arbeiten zusammen.“

Er musterte meine Füße, dann das Hähnchen, dann wieder mich. „Weißt du, was dein Problem ist?“, fragte er in diesem Ton, der immer ankündigte, dass jetzt etwas kommt, was gleichzeitig albern und nicht ganz falsch ist. „Du verkaufst dich völlig unter Wert.“

Im Radio lief irgendein Ratgeber-Beitrag über Bewerbungsgespräche und Zukunft, die in PowerPoint-Folien passt. Gerade zählte eine überengagierte Stimme die wichtigsten Hard Skills auf, die man mitbringen müsse, um im Berufsleben zu bestehen. Excel, Sprachen, Teamfähigkeit, blabla. Ich schob das Hähnchen ein Stück, damit die Marinade besser in die Haut lief, und dachte, dass niemand je von mir verlangt hatte, ein ganzes Leben in Stichpunkten auf eine DIN-A4-Seite zu pressen, bis diese Stimmen im Radio auftauchten.

„Aha“, sagte ich. „Und was genau ist jetzt mein unterschätzter Marktwert?“

Adi hob den Zeigefinger, als halte er gleich einen Vortrag. „Hard Skills“, sagte er. „Die reden da immer von Hard Skills. Und weißt du, was ein echter Hard Skill ist?“
Er machte eine kleine Pause, trank einen Schluck Kaffee und grinste. „Barfuß Hähnchen braten. Das kann nicht jeder.“

Ich lachte, und während ich lachte, rutschte ein Tropfen Öl von meinem Handgelenk Richtung Ellenbogen. Ich sah ihm zu, wie er sich seinen Weg bahnte, und dachte, dass es vielleicht stimmt: Es gibt Fähigkeiten, die in keiner Bewerbung auftauchen, obwohl sie das halbe Leben zusammenhalten. Zum Beispiel, ein Hähnchen mit einer Hand festzuhalten, ohne es fallen zu lassen, während man mit der anderen den Ofen öffnet und gleichzeitig versucht, nicht auf die Knoblauchzehe zu treten, die einem vorhin vom Brett gerollt ist.

„Schreib das mal in deinen Lebenslauf“, fuhr Adi fort. „Kenntnisse: Französisch, Deutsch, Englisch – barfuß Hähnchen braten. Fortgeschritten.“
„Das ist kein Hard Skill“, sagte ich. „Das ist höchstens ein Soft Skill mit Haut.“
„Quatsch“, meinte er. „Soft Skills sind so Sachen wie nett sein und zuhören. Du hantierst hier mit heißem Fett, rohem Fleisch und nackter Haut. Wenn das kein Hard Skill ist, weiß ich auch nicht.“

Ich schob das Hähnchen in den Ofen, beugte mich vor, spürte die Hitze im Gesicht und das Ziehen in der Wade, weil ich unwillkürlich auf die Zehenspitzen ging. Hinter mir stellte Adi die Tasse ab, ich hörte das leise Porzellanklicken auf der Arbeitsplatte. Als ich mich wieder aufrichtete, stand er plötzlich näher bei mir, nah genug, dass ich seinen Atem in meinem Nacken spüren konnte.

„Außerdem“, sagte er leise, „mag ich es, wenn du barfuß durch die Küche läufst. Das sieht aus, als würdest du bleiben.“

Der Satz erwischte mich an einer Stelle, von der ich bis dahin nicht wusste, dass sie existiert. Bleiben. Als wäre das eine entscheidenede Qualifikation, die irgendwo hinter Sprachkursen und EDV-Kenntnissen in Klammern auftaucht: neigt zum Bleiben. Ich stützte mich mit einer Hand am Ofen ab, um in dieser plötzlichen Schwerkraft nicht nach hinten zu kippen.

„Das ist kein Skill“, murmelte ich. „Das ist ein Risiko.“
„Die besten Skills sind immer ein Risiko“, antwortete er. „Frag mal dein Hähnchen.“

Wir schwiegen, nur der Ofen begann leise zu rauschen, und der erste, sehr vorsichtige Bratenduft kümmerte sich darum, die Küche in etwas zu verwandeln, das man später Erinnerung nennen kann. Adi schob mit seinem Fuß meinen Pantoffel zur Seite, als wäre er ein Hindernis auf einer Bühne, die frei bleiben sollte.

„Also gut“, sagte ich schließlich. „Hard Skills: barfuß Hähnchen braten. Soft Skills: nicht weglaufen, wenn der Rauchmelder losgeht.“
Adi nickte zufrieden. „Siehst du. Und irgendwo dazwischen“, er beugte sich runter und strich mit der Hand kurz über meinen Knöchel, „steht dann noch: liebt den Mann, der ihr das eingeredet hat.“

Der Radiobeitrag war längst beim Thema „Selbstoptimierung“ angekommen, die Sprecherin erklärte irgendetwas über Ziele in Fünfjahresplänen. Ich stand mitten in dieser viel zu kleinen Küche, barfuß, mit Hähnchenfett an den Fingern, Adis Hand im Rücken und einem Gefühl im Brustkorb, das in keine Tabelle passte. Ich dachte, ganz kurz, dass ich das alles so, genau so, als Qualifikation behalten wollte: das Stehen auf kalten Fliesen, die Wärme aus dem Ofen, sein Zwinkern, wenn er „Hard Skill“ sagte, als wäre das ein Insiderwitz nur für uns.

Damals ahnte ich noch nicht, wie oft ich später an diesen Moment denken würde, wenn draußen alles nach Kontrolle und Krisenmanagement klang. Ich wusste nur, dass es gerade gut war. Und dass ich, wenn mich jemand gefragt hätte, was ich kann, nicht gelogen hätte mit: „Ach, nichts Besonderes.“

„Der Abgleich“ von Elise d‘Our

Ich möchte mich bei allen bedanken, die „Der Abgleich“ gelesen und eine Rezension geschrieben haben.

Euer Feedback – ob kurz oder ausführlicher – ist nicht selbstverständlich, und ich weiß es sehr zu schätzen, dass ihr euch die Zeit dafür nehmt.

Mir war es in diesem Buch wichtig zu zeigen, wie Bürokratie und die vermeintliche „Passion“, den eigenen Job korrekt zu machen, dazu führen können, dass andere Menschen im übertragenen Sinn „um ihr Leben gebracht“ werden – dass man ihnen Stück für Stück Leben nimmt, ohne Blut, aber mit Akten, Formularen und Entscheidungen am Schreibtisch.

Ich beobachte seit Jahren, dass in Deutschland Mobbing, moralischer Druck und ein Klima des Wegschauens oft fast zum guten Ton gehören – moralisch und ethisch jenseits von gut und böse. Genau dieses Spannungsfeld wollte ich literarisch abbilden: Menschen, die funktionieren, Systeme, die sich selbst schützen – und diejenigen, die darunter zerbrechen.

Die Rückmeldungen zeigen mir, was an dieser Darstellung bei euch ankommt, was euch wütend macht, nachdenklich oder berührt. Das motiviert mich, weiterzuschreiben und die Reihe konsequent auszubauen.

Danke, dass ihr „Der Abgleich“ eine Chance gebt.

Ich habe es geschafft…

Weg von der reinen Amazon-Schiene: Verlag heißt das neue Zauberwort – und zwar einer ohne Vorauszahlungen oder versteckte Kosten. Ab Montag liegt mein neues Buch bei Thalia im Regal, parallel bleibt es – der Planung geschuldet – auch bei Amazon erhältlich. Der Verlagsdeal kam nachträglich und genau zur richtigen Zeit: für mehr Sichtbarkeit, mehr Buchhandel, mehr Leserinnen und Leser.

Ein Buch, aus der Region und so, als hätte ich es nebenan erlebt 🙂 Link zum Buch:

hier zu Thalia und liefern an Buchhandlung: https://www.thalia.de/shop/home/artikeldetails/A1077107487

oder

https://www.lesejury.de/elise-d-our/buecher/der-abgleich/9783565053148

Another Eifel-Crime?

Another Eifel-Crime?

Eifelherz von Rudolf Jagusch…

…oder das, was eigentlich eine Buchempfehlung werden sollte, mich aber dann die liebreizende Seite der nördlichen Eifel finden ließ.

Mit Spannung habe ich auf dieses Buch gewartet. Ein Buch mit Widmung, vom Autor selbst, per Post, ich fühlte mich sehr geehrt.

Nachdem ich alle anderen „Eifelkrimis“ verschlungen hatte, war ich mehr als gespannt, auf die Reihe von Rudolf Jagusch.

Wahrscheinlich mag der Autor, keine Vergleiche, zu Jacques Berndorf, der Vater aller Eifelkrimis, denn er hat sie sicher schon x-fach gehört, ich mache es trotzdem, er ist eben verdammt nah am Original.

Es sind mehr Protagonisten in seinen Büchern, es ist etwas lebhafter und abwechslungsreicher und nicht so eigenbrötlerisch, wie bei Berndorf. Ja, ich sage einfach es machte mir mehr Spaß, diese Bücher zu lesen, denn sie sind aktueller und nicht ganz so dunkel und düster skizziert, wie bei dem 2022 verstorbenen Michael Preute, alias Jacques Berndorf teilweise erscheinen.

Die Eifeler, oder umgangssprachlich „Eifler“, sind ein „kriminelles, gemeines Bergvolk“, was allgemein als „eifersüchtig, geizig und verschlossen“ gilt. Das ist die weit verbreitete Meinung der „Städter“, wie wir sie in der Eifel nennen und so steht es immerhin auch im Duden. Also liefern sie genug Stoff um hunderte von Krimis zu schreiben.

Aber so sind eben nicht alle Eifeler und auch nicht überall.

Die Figuren

des Krimis bestechen durch ihre persönliche Geschichte, die meine Neugier weckte. Wir sind schließlich alle Serien Streame verwöhnt, oder? Wie wird es dem Kommissar Hotte Fischbach weiterhin ergehen, wie entscheidet sich sein Kollege Jan Welscher? Ein Spagat zwischen Amerika und der Eifel?

Die Handlung,

eine wahnwitzige Verfolgung eines „Eifelvampirs“, der einer Jungen Frau scheinbar das Blut aussaugte. Ein großes, modernes Unternehmen, das vollkommen Eifel-üblich versteckt, seine kriminellen Machenschaften betreibt und zwischendurch immer wieder das reizende Roadtrip- Team der Kriminalbeamten. Wirklich lesenswert . Was also eigentlich eine Buchempfehlung sein wollte, ist eine liebevolle Empfehlung eines, leider nicht sichtbaren Tatort-Teams, statt in der ARD, als Buch aus der Eifel. Sehr gelungen.

Die Fantasie

angeregt durch Jaguschs klare Beschreibungen und Sprache, macht auch hier, wie schon im ersten seiner Bücher, alles nicht Sichtbare, wett.

Die nördliche Eifel,

als Schauplatz diverser Verbrechen wird auch in seinem 5. Teil „Eifelherz“, sehr gut beschrieben. Die Region, Euskirchen, Marmagen, bis hin zum malerischen Burgnest Kronenburg, ist die Gegend exakt und anschaulich beschrieben. Es macht Spaß in die sonnige, kriminelle Eifel von Jaguschs Büchern einzutauchen.

Am Ende dieses Buches bin ich übrigens dann nach Kronenburg gefahren, der Burgbering ist mir persönlich wirklich nicht unbekannt. Die Ruine der Kronenburg liegt wie eine Liebkosung über dem Städtchen. Ein Kuss über weißen Häuschen und einem Schlosshotel. Märchenhaft und herrlich. Ich verbrachte einen wunderschönen Nachmittag dort, bin mit dem Auto und Schmetterlingen im Gepäck etwas durch die Kulisse nach Marmagen gefahren, dann weiter bis schließlich zur alten Tuchfabrik nach Euskirchen. Ein Eiflersonnentag, sozusagen.

Etwas Spurensuche gehört schließlich zu einem guten Eifelkrimi zwingend dazu und macht das Lesen des nächsten Buches doppelt so spannend und interessant.

Rudolf Jagusch,

Eifelbaron 2011

Eifelheiler 2012

Eifelteufel 2013

Eifelmonster 2016

Eifelherz 2021

Eifelwolf 2022

 

 

 

 

Fortsetzung folgt…

 

 

„Buchland“

… und seine zwei Fortsetzungen …. genial!

Markus Walther hat ein wunderschönes, spannendes und außergewöhnliches Werk geschaffen, was mich stundenlang fesseln kann. Ich schreibe jetzt hier keine Rezession, die kann man hervorragend googeln, aber ich kann es nur empfehlen. Etwas Fantasie, etwas Steampunk, etwas Philosophie und viel Literatur. Während der erste Teil mich mit seinen Bildern fesselte, die Walther zauberhaft beschreibt, so als würde man durch eine epische Landschaft aus Büchern, Natur und Fantasiewesen wandern, ist es beim zweiten Teil die Art der Geschichte an sich. Das Leben, seine Ereignisse und wunderbaren Geheimnisse, Erinnerungen und wieder das Flüchten in eine wunderbare Welt der Bücher.

Herrlich.

Ich weiß nicht, ob Herr Walther jemals Hugo Quirins Laden in der Eifel gesehen hat. Eines meiner Lieblingsorte zum Fotografieren….Aber er beschreibt ihn, als hätte er ihn besucht …. einfach zauberhaft.