Qualität statt Überfluss

Warum die Produktauswahl in Deutschland mehr schadet als nützt

In Belgien genieße ich es, zum Bäcker oder Metzger zu gehen. Hier ist alles überschaubar und auf das Wesentliche konzentriert: fünf Sorten Brötchen, ein paar regionale Brotsorten, und beim Metzger gibt es besondere Fleischstücke nur auf Bestellung. Diese Einfachheit ist für mich mittlerweile ein Zeichen von Qualität und Nachhaltigkeit. Wenn ich jedoch daran denke, wie es in Deutschland war, wird mir klar, warum das System dort auf Dauer nicht funktionieren kann.

25 Brotsorten und 15 Brötchen: Die Illusion von Vielfalt

Die typische Bäckerei in Deutschland lockt mit einer gigantischen Auswahl: 25 Sorten Brot, 15 Sorten Brötchen, dazu Kekse, Kuchen, Snacks und mehr. Auf den ersten Blick wirkt das beeindruckend, doch in Wirklichkeit führt dieser Überfluss zu massiver Überproduktion. Ein Großteil der Backwaren landet abends im Müll, weil die Nachfrage gar nicht so groß ist, wie die Theke suggeriert. Gleichzeitig sinkt die Qualität: Viele Brote sind auf Masse produziert, vollgepumpt mit Zusatzstoffen, um lange frisch zu bleiben oder eine schöne Optik zu haben.

Diese riesige Auswahl zerstört langfristig die handwerkliche Backkultur. Kleine Bäcker können mit den Großbäckereien und Supermärkten nicht mithalten – weder preislich noch in der Vielfalt. Die Konsequenz? Sie geben auf, und die echten, regionalen Rezepte verschwinden mit ihnen.

Belgien: Eine Alternative ohne Überfluss

Hier, wo ich jetzt lebe, gibt es diese Produktflut nicht. Beim Bäcker stehen fünf oder sechs Brotsorten zur Auswahl, die täglich frisch gebacken werden. Das gleiche gilt für Brötchen – es gibt wenige, dafür perfekte Varianten. Alles ist auf Qualität statt Quantität ausgerichtet. Und ja, manchmal muss ich mich für etwas entscheiden, das vielleicht nicht meiner “Lieblingssorte” entspricht, aber das schärft meinen Blick für den Wert eines handgemachten Produkts.

Auch der Metzger funktioniert hier anders: Kein überquellendes Fleischregal, sondern eine ehrliche, auf Bestellung ausgerichtete Auswahl. Das bedeutet, ich plane meinen Einkauf und esse bewusster. Gleichzeitig weiß ich, dass hinter jedem Stück Fleisch ein nachhaltiger Umgang und oft eine regionale Herkunft steckt.

Die Schattenseiten der deutschen Überproduktion

Das deutsche System ist auf ständige Verfügbarkeit und grenzenlose Auswahl ausgerichtet. Es zerstört nicht nur die Qualität, sondern auch die kleinen Betriebe, die sich diesem Druck nicht anpassen können. Handwerksbäcker, Metzger und andere regionale Produzenten sterben aus, während Supermärkte und Industriebäckereien den Markt übernehmen. Das führt nicht nur zu Einheitsbrei auf dem Teller, sondern schadet auch der Wirtschaft. Die lokale Wertschöpfung sinkt, Arbeitsplätze gehen verloren, und letztlich bleibt den Menschen nur noch die Illusion von Vielfalt.

Weniger ist mehr – und besser

Belgien zeigt, dass weniger tatsächlich mehr ist. Hier gibt es keine 25 Sorten Brot, sondern nur das Beste. Keine Massenproduktion, sondern sorgfältige Handarbeit. Ich bin froh, diesen Weg gewählt zu haben – und sehe hier , wie nachhaltig und erfüllend ein solcher Lebensstil sein kann.

Der deutsche Drang nach immer mehr Auswahl, nach immer vollereren Regalen, wird langfristig nicht funktionieren. Es ist eine Sackgasse, die zu Überproduktion, Ressourcenverschwendung und dem Verlust echter Qualität führt. Belgien hat mir gezeigt, dass wahre Vielfalt nicht in der Menge, sondern in der Hingabe liegt, mit der ein Produkt gemacht wird. Übrigens kann ich bei meinem Bäcker auch Wünsche äußern, falls mir das 5 Korn, laltosefreie und glutenfreie Eiweißbrot tatsächlich lebensnotwendig erscheint.

Habt einen schönen Sonntag.

15 Gedanken zu “Qualität statt Überfluss

  1. Ob das wirklich so ist mit dem schmalen Sortiment, weißt du gar nicht. Seit Jahren schon gibt es ziemlich genaue Analysen was der Kunde will und was wirtschaftlich funktioniert, auch wenn abends etwas übrig bleibt. Das passiert nicht aus dem Bauch heraus, sondern auf Messungen, Befragungen, Datenanalysen und viel Excel.

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  2. Naja, ich habe als Urlauber genau die Antwort bekommen von meinem jetzigen Bäcker . Von anderen Geschäftsinhaber auch. Die können es sich einfach nicht leisten, die Dinkel-Rosinen-Korn-Krüstchen zu backen, die dann kein Mensch kauft. Das Personal ist zu teuer und normale Brötchen verkaufen sich immer.

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    1. Tja, so arbeitet ein kleiner Bäcker. Der hat auch keine Marktanalysen und kein Marketing(geld).
      Würde er beispielsweise Dinkel-Rosinen-Korn-Krüstchen eine Woche bei jedem Brötchenkauf >5 Stk kolo dazugeben, würden Leute auf den Geschmack kommen.

      So macht er dass, was er immer macht und wird sich nicht weiterentwickeln und irgendwann schließen.

      Was ich sagen möchte, solche Bäcker mit tradionellem Handwerk mag ich auch, aber die Ketten arbeiten wesentlich exakter, was Warenverbrauch, Prognose und Absatz angeht.

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      1. Ja, aber täusch dich nicht. Die Backmischungen kommen bei kleinen Bäckern oft auch von großen Firmen.

        Hauptsache, es schmeckt und die Sachen sind so naturbelassen wie möglich. Wer schon selbst Brötchen gebacken hat (nicht aufbacken), der weiß, was das für eine durchaus langwierige Arbeit sein kann.

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      2. Puratos in St.Vith ist Deutschlands Rohling Lieferer- Teig und Mischung. Es gibt in St. Vith eine große Bäckerei, Kette… der macht seinen eigenen Teig und nur für seine Filialen. In Burg Reuland ist ein Bäcker, der macht seine eigene Mischung und sein Brot. Sicher ist das in Brüssel anders, aber hier ticken die Uhren anders.
        Es bezog sich auch nicht auf Brötchen, sondern generell den Einzelhandel. Hier gibt es noch Innenstädte und Fußgängerzonen. Geschäfte für alles Mögliche. Sogar Schneider und Schuhmacher. Ein Geschäft für Töpfe Küchenutensilien usw…ein Süsswarenladen mit Schokolade und Gummibärchen usw…. Jedenfalls Geschäfte die ich seit 10 Jahren in deutsch fast kaum noch finde. Ich bin vom Rhein, da findest Du Dönerläden, Barbiere und Telefonläden- und jede Menge Leerstand. Außerhalb dann Konsumparks. Das wird hier grösstenteils vermieden. Übrigens hat Amazon Belgien auch ein viel kleineres Angebot. Der Einzelhandel dankt es !

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      3. Dönerläden, Barbiere und Telefonläden- und jede Menge Leerstand gibt es hier auch zu Hauf.

        Ein degeneriertes Land sind wir geworden. Nur noch Akademiker, nur noch 4 Tage Woche und bedingungsloses Grundeinkommen.

        Wundert dich noch irgendetwas?

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      4. Also bei Rosinen zweifel ich mit der Gschicht. Ich schaue viele Kochsendungen an und Rosinen sind da, es geht zum Beispiel um den Kaiserschmarrn, völlig unbeliebt.

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  3. Würde mich interessieren, was die Belgierinnen und Belgier sagen, wenn sie nach D kommen. Vielleicht so, wie die Ossis, als sie in den Westen kamen. Zuerst überwältigt und dann wollten sie ihre gewohnten Schrippen wieder.

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  4. Ehrlich gesagt, habe ich mich mit dieser Frage noch nicht beschäftigt. Aber klar, es ist wichtig sein Produkt Portfolio an die Kundenwünsche anzupassen.

    Wenn ich das mit dem anglo-amerikanischen Ausland vergleiche, bin ich immer wieder froh heim zu kommen. Nicht nur wegen der Semmeln, auch Wurst und Käse. Es gibt nichts Schlimmeres als ein Frühstück in NA. Bejing, Sìngapore oder Bangkok…klasse Auswahl, europäisch wie auch asiatisch. Allerdings weiß ich nicht, wie es um die Nachhaltigkeit bestellt ist.

    Hinterfrage ich auch nicht. Bin beruflich dort.

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