Wir müssen reden.
Es ist Mitte November und ich stehe schon wieder bei REWE in Prüm und tue so, als würde ich nicht gerade meine siebte Packung Marklösschen diese Woche kaufen. Die Kassiererin guckt mich an, als hätte ich ein ernsthaftes Problem. Hat sie recht? Vermutlich. Aber hört mir erstmal zu.
Das Luxemburg-Paradoxon
Luxemburg, dieses kleine, reiche Land. Tankstellen an jeder Ecke. Zigaretten für’n Appel und’n Ei. Champagner günstiger als bei uns Apfelschorle. Aber versuch mal, EINE VERDAMMTE PACKUNG KNÖDEL zu finden. Eine!
Ich meine, wir reden hier nicht von irgendwelchen Gourmet-Trüffel-Knödeln handgerollt von bayrischen Jungfrauen bei Vollmond. Nein. Ich rede von stinknormalen Pfanni-Knödeln aus der Tüte. Diese Dinger, bei denen du Wasser kochst, Pulver reinkippst und voilà – Knödel. Revolutionäre Technik seit 1967.
Aber nein. Luxemburg hat beschlossen: Wir sind zu fancy für Instant-Knödel. Wir haben Gromperekichelcher. (Für Nicht-Luxemburger: Das sind Kartoffelpuffer. Ja, ich weiß auch nicht, was das mit Knödeln zu tun hat.)
Die Marklösschen-Mafia
Und dann sind da die Marklösschen. Diese kleinen, unscheinbaren Tütchen, die aussehen, als hätte jemand Sägespäne in Plastik verpackt. Aber wehe, WEHE du willst im Dezember welche kaufen. Ausverkauft. Überall. Als würde ganz Deutschland plötzlich beschließen, dass Marklösschen das neue Klopapier sind.
Also fange ich an zu horten. Schon im Oktober. Eine Packung hier, zwei Packungen da. Ich habe verschiedene Supermärkte, die ich im Rotationsprinzip abklappere, damit niemand merkt, was ich tue. Ich bin basically der Walter White der Marklösschen-Szene.
Letzte Woche hab ich meinen Kofferraum aufgemacht und musste selbst lachen. Da lagen 23 Packungen Marklösschen, 15 Packungen Knödel (verschiedene Sorten, man gönnt sich ja sonst nichts), und genug Rotkraut im Glas, um die Bundeswehr zu versorgen.
„Schatz“, sagte mein Mann, „du weißt schon, dass Weihnachten nur drei Tage sind, oder?“
Drei Tage? DREI TAGE? Der Mann hat keine Ahnung. Da kommt die Schwiegermutter („Ach, diese leckeren Marklösschen!“), die Schwägerin („Habt ihr noch Knödel?“), und der Onkel, der immer behauptet, er könne Rotkraut nicht leiden, aber dann drei Portionen isst.
Die Rotkraut-Verschwörung
Apropos Rotkraut. Kann mir mal jemand erklären, warum es in Luxemburg kein Rotkraut im Glas gibt? Die haben 47 verschiedene Sorten Foie Gras, aber Rotkraut? Fehlanzeige.
„Koch’s doch selbst“, sagen sie dann. Ja klar. Ich koch auch meine eigene Butter und melke die Kuh dazu. Weil ich nämlich sonst nichts zu tun habe im Dezember, als stundenlang Rotkraut zu schnippeln und zu köcheln, damit es dann schmeckt wie… na? Richtig. Wie das aus dem Glas.
Die Instant-Scham
Das Beste sind ja die Blicke, wenn ich an der Kasse stehe. Fünf Packungen Instant-Knödel, drei Gläser Rotkraut, Marklösschen en masse. Die Frau hinter mir – erkennbar eine dieser Pinterest-Mütter mit selbstgestricktem Schal und Jutebeutel – schaut auf mein Förderband, als hätte ich gerade ihre Katze überfahren.
Ja, Karen, ich kaufe Fertigzeug. Und weißt du was? Meine Familie wird es essen und es wird ihnen schmecken. Weil sie nämlich zu vollgefressen sind vom Braten, um zu merken, dass die Knödel nicht handgerollt sind.
Der Grenzgang des Grauens
Das Absurdeste ist die Fahrt über die Grenze. Völlig legal, alles EU, kein Problem. Trotzdem sitze ich da wie ein Schmuggler in den 80ern.
„Haben Sie etwas zu verzollen?“ Nervöses Lachen „Haha, nein, nur… Lebensmittel.“ Polizist guckt skeptisch „Für Weihnachten“, füge ich hastig hinzu. „Es ist November.“ „Ja, aber… die Marklösschen…“
Ich spare mir die Details. Der Mann hat mich angeguckt, als bräuchte ich professionelle Hilfe.
Die bittere Wahrheit
Wisst ihr, was das Verrückte ist? Ich könnte einfach was anderes kochen. Pasta. Reis. Diese fancy Quinoa-Bowls, die alle auf Instagram posten. Aber nein. Es MUSS der deutsche Weihnachts-Dreiklang sein: Braten, Knödel, Rotkraut. Mit Marklösschen in der Suppe als Vorspeise.
Weil das nämlich Weihnachten ist. Nicht diese durchgestylten Foodblogger-Menüs mit Süßkartoffel-Gnocchi und fermentiertem Grünkohl. Sondern Knödel aus der Packung, die nach nichts schmecken außer nach Soße. Rotkraut, das zu süß ist. Und Marklösschen, bei denen keiner weiß, was da eigentlich drin ist.
Und dafür fahre ich durch die halbe Eifel, horte wie ein Weltuntergangsspinner und verhalte mich an der Grenze wie ein Krimineller.
Aber hey, wenigstens spare ich beim Tanken in Luxemburg. Die 30 Euro Ersparnis investiere ich dann direkt in… genau, noch mehr Marklösschen.
Der Masterplan für 2026
Nächstes Jahr fange ich im August an. Kein Scherz. Eine Packung pro Woche, ganz langsam, unter dem Radar. Bis Dezember habe ich dann einen Vorrat, der bis Ostern reicht.
Und falls mich jemand fragt, warum ich im Hochsommer Marklösschen kaufe, sage ich einfach: „Für die Grillsuppe.“ Mal sehen, wie lange es dauert, bis sie mich in die Geschlossene einweisen.
Bis dahin, fröhliches Hamstern.
P.S.: Wenn ihr das hier lest und in Luxemburg einen Laden kennt, der Instant-Knödel verkauft, SAGT ES MIR NICHT. Ich habe bereits zu viel in mein Hamster-System investiert. Das ist wie bei einer Sekte – der Ausstieg ist schwieriger als man denkt.
Ich will morgen zum Einkaufen; beim Schreiben der to-buy-Liste eben musse ich heimlich grinsen
Ungläubiges Gucken in der Küche …
‚Ach nix Schatz, wir wollen ja auch nicht nach Vianden oder‘?
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Genau das 🤣
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ich habe in luxemburg keine lokalen kenntnisse und muss passen, kann aber dein problem nachvollziehen, nur in anderen warengruppen. 😜
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Ist der Text ein Jahr alt? Plan für 2025?
Wenn jeder von uns hier Dir die Dinger schickt,… wäre das nicht total cool?
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Tippfehler- siehste ich bin schon echt irre deswegen. Das ist lieb, aber der Text ist ein Schnitt durch die letzten Jahre. Mein Vater musste immer Rotkraut importieren, weil es hier keins gibt…. Aber Danke, ich habe jetzt für Weihnachten genug. Nächste Stoßzeit ist Ostern 🐣 🤣🤣🤣
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